ETT_Jahresbericht_2022_2023

AUSZUG AUS DEMMEDIENSPIEGEL

2022/2023

FREIZEIT & ENTSPANNEN

FREIZEIT & ENTSPANNEN

NÄCHSTE

ABFAHRT

GLÜCK!

Unterwegs 63

DEFGH Nr. 53, Samstag/Sonntag, 4./5. März 2023

Fünf Abfahrten mit bis zu 2000 Höhenmetern im freien Gelände bietet der Titlis in der Zentralschweiz. Wenn frischer Schnee gefallen ist, treffen sich am Berg jede Menge Freeride r . FOTO: OSKAR ENANDER / ENGELBERG-TI TL I S-TOURI SMUS

Das Outdoor-Eldorado Engelberg erstrahlt in den Wintermonaten in einem besonderen Licht.

Tief im Schnee Der Titlis in Engelberg ist weltweit einer der besten Orte, um neben der Piste Ski zu fahren. Das zieht Freerider aus aller Welt in die Schweiz, sogar in trockenen Wintern wie diesem. Eine Mutprobe

TINA ENGLER

Engelberg ist ein wahrlich himmlischer Ort. Der Name basiert auf der Legende, dass Mönche beobachtet ha- ben, wie Himmelsboten über den Hausberg Hahnen geschwebt sind. Daraufhin errichteten sie an diesem glückseligen Platz das Kloster. Solche Geschichten gibt es hier unzählige. Die meisten handeln vom Glück, das hier anscheinend ein wenig leichter zu finden ist als anderorts. Das Klosterdorf, gerade mal 45 Minuten mit dem Zug von Luzern entfernt, erstrahlt in den Wintermonaten in einem besonderen Licht. Inmitten der imposanten Alpenszenerie, überragt vom 3238 Meter hohen Titlis- Gletscher, sind bei den «Engelberger Lichtblicken» bis zu 4 Meter hohe Lichtskulpturen zu bestaunen, die das Winteridyll in eine romantische Märchen-Kulisse ver- wandeln. Wer zum ersten Mal herkommt und wie so viele vor ihm dem Zauber der beschaulichen Enklave verfällt, den mag es verwundern, dass das 4000-Seelen-Dorf noch immer ein Geheimtipp ist. Orte wie St. Moritz oder Davos mögen bekannter sein, diesen steht das auf 1000 Meter Höhe gelegene entspannte Ganzjahres-

Outdoor-Eldorado jedoch in nichts nach. Pelzmäntel sucht man selbst im besten Haus am Platz, dem «Kem- pinski Palace Engelberg» vergeblich. Stattdessen tum- meln sich im dazugehörigen «Chalet Ruinart» bei herzhaftem Käsefondue Skifahrer, Snowboarder und Freerider aus ganz Europa. Die ursprüngliche Natur und die majestätischen Ber- ge, deren Gipfel die Wolken berühren, üben eine magi- sche Anziehungskraft auf die internationalen Besu- cher aus. Es herrscht eine lässige und ungezwungene Atmosphäre, die dem charmanten Ort weltoffenes Flair verleiht. Viele kommen und bleiben, sie finden hier ihr Glück. Schon seit einigen Jahren lassen sich immer mehr Skandinavier hier nieder und sorgen für einen coolen Lifestyle. Lässige Wohlfühlplätze wie das sympathische Hotel «Ski Lodge» oder die Kaffeebar «Roastery» sind fest in schwedischer Hand. Längst schon hat sich bei der in- ternationalen Freerider-Community herumgespro- chen, dass die Region Engelberg-Titlis mit ihren «Big 5»-Abfahrten mit bis zu 2000 Höhenmetern der «place to be» für den perfekten Powder ist.

on Trübseemit Reifen oder Zipfelbob über den Schnee, den viele von ihnen zum ers- ten Mal sehen und wie Goldstaub bewun- dern. Danach geht es ins Fotostudio in der Bergstation, wo sich die Männer mit Berg- seil, Filzhut und Alphorn, die Frauen im Dirndl undmit Hüten vor einer Fototapete des Titlis fotografieren lassen. Wemder durchaus unterhaltsameRum- mel auf dem Titlis irgendwann zu viel wird, der hat imEngelberger Tal einewun- derbareMöglichkeit der Entschleunigung: die sogenannten Buirabähnli. Das sind kleine Seilbahnen, die zu Bergbauernhö- fen und auf Almen hinaufführen und dazu dienen, Menschen, Milch oder Heu rauf- oder runterzubringen. Für ein paar Fran- ken kann man aber auch als Skitourenge- hermitfahrenund sodie ersten500Höhen- meter überwinden, bevor es weiter auf die umliegenden Gipfel geht. Zum Beispiel von Oberrickenbach aus, das man mit Bahn und Bus aus Engelberg erreicht. Als wir mit Jan Keller, dem Berg- führer, an die winzige Talstation kommen, ist der Jungbauer gerade dabei, Dutzende Heubündel auf eine Transportbahn zu la- den, umsie zumBauernhof hinauf zu „sei- len“. Die Tourengeher müssen also warten und haben so die Gelegenheit, die äußerst frühlingshafte und fast schneefreie Land- schaft zu bestaunen. Wo sollen wir da ab- fahren? Aber auf Jan Keller ist Verlass, denner scheint denSchnee riechenzukön- nen. Nach der Fahrt mit der uralten roten Kabine hinauf nach Oberspis empfängt unsder alteBauer Josef Durrer, derdieSeil- bahn steuert, mit den Worten: „Geht ihr Schnee suchen?“ Von Oberspis aus be- treibt Durrer eineweitereBauernbahnhin- auf bis auf 1600 Meter – und die hat es in sich, denn sie ist eher eine offene Kistemit Blechdach, vom Abgrund trennen den Fahrgast nur zwei Holzbretter. Durrer fährt uns aber sicher hinauf, und siehe da, der Schnee nimmt zu, sodass man von der Bergstation mit Skiern loslaufen kann. Jan Keller geht voraus auf den Maisan- der, einen 2150 Meter hohen Gipfel, des- sen sonnige Südseite gescheckt ist wie ei- ne Simmentaler-Kuh: mehr braune Gras- flecken als Weiß. Also Skier an den Ruck- sack und zu Fuß auf den Gipfel. Der Vor- teil: Man ist allein, denn ohne Schnee kei- ne Tourengeher. Aber weil der Bergführer eben den Schneeriecher hat, geht es vom Gipfel nordseitig auf geschlossener Schneedecke runter, sogar ein wenig Firn ist dabei. NocheinAufstiegvon500Höhen-

metern aufs Steinalperjöchli, und dann kommt der Hammer: Mit Blick auf den Vierwaldstätter See führt die Abfahrt bis vor dasDorfNiederrickenbach. InNiederri- ckenbach wartet im Pilgerhaus des Klos- ters eine Sonnenterrasse mit Kuchenbuf- fet. Und natürlich führt von hier auch eine Seilbahn zurück ins Tal, von wo man den Zug zurück nach Engelberg nimmt. Dort, in der Ski Lodge, die neben ihrer Après-Ski-Bar auch ein hervorragendes Restaurant hat, in dem schwedische Ex- Sterne-Köche ihres Amtes walten, trifft Sanne Mona nach dem Skitag jede Menge Freerider und andere Abenteurer, um bei demeinoder anderenBier die Lage amTit- lis oder die Schneeverhältnisse inWhistler Mountain zu erörtern. Johan Jonsson etwa, ein Profi-Freeri- der, der jeden Winter für zwei Monate nachEngelberg zieht, umhier zu fahren so- wie für Foto- und Filmaufnahmen für Ski- und Bekleidungshersteller zu posieren. „Der Titlis ist sicher einer der besten Free- ride-Berge weltweit“, sagt Jonsson: „Galti- berg, Sulz und vor allem der Steinberg: Es gibt breite Flächen, wo du extrem schnell fahren kannst, Steilstellen, Felsen zum Springen und schmale Couloirs, es ist eine vollkommene Abfahrt.“ In Szene gesetzt wird Jonssondabei unter anderemvomFo- tografen Oskar Enander, der vor 20 Jahren als einer der ersten Schweden Engelberg entdeckt und es zu seiner Heimat gemacht hat. Die beiden sind ein aufeinander einge- spieltes Duo. Jonsson fährt die perfekten Turns genau an der richtigen Stelle, so- dass Enander für seine kunstvollen Schwarz-Weiß-Aufnahmen an der Grenze zwischen Licht und Schatten die stauben- den Schneewolken aufleuchten lassen kann wie Kometenschweife. Aber dass der tiefe Pulverschnee oft- mals eher die Ausnahme als die Regel ist und man auch bei schlechten Bedingun- gen Spaß haben kann, hat Jonsson mit ei- nem Video gezeigt, das den unzweideuti- gen Titel „Sh*t-F*ck-Skiing“ trägt. Dabei fährt er mit Helmkamera am Titlis bei wirklich wenig und unangenehm hartem Schnee so schnell und so haarscharf an Steinen und Felsen vorbei, dass einem der Atemwegbleibt. „Lustigerweise ist das mein meistge- klicktes Video überhaupt“, sagt Jonsson. „Man muss einfach rausgehen und Spaß haben mit dem, was man kriegt!“ Wie gut, dass es soeben 40 Zentimeter Neuschnee am Titlis gegeben hat.

von der Partie ist und hier oben jeden Stein und vor allem jede Abfahrt durch die Fel- sen kennt. „Weil aber so viel gefahren wird, ist die Lawinengefahr hiermeistmin- destens eine Stufegeringer als imLawinen- lagebericht angegeben“, erklärt Keller. Der Grund: EinzerfahrenerHang ist sehr unre- gelmäßig, fällt darauf ein halber Meter Schnee, könne er nicht so leicht als Lawine abrutschenwieauf einer glattenSchneeflä- che. Trotzdemgab es proSaison inden ver- gangenen Jahren im Schnitt ein Lawinen- opfer. „Jeder ist einer zu viel“, sagt Keller, „aber bei der Masse an Freeridern passiert erstaunlich wenig.“ Der Titlis ist ein imposantes Bergmas- siv mit vielen Nordhängen, die bis in den Mai hinein Pulverschnee-Abfahrten mit bis zu 2000 Hölhenmeternversprechen. Denn darum geht es der Community, die mit langen Haaren, braun gebrannten Ge- sichtern, weiten Klamotten und eigenen Slang anSurfer erinnert:möglichst als Ers- ter oder Erste eine vonuntenzubestaunen- de Line zu ziehen. „Heute sind hier 95 Pro- zent Pistenskifahrer, aber nach Neu- schneefällen siehst dunur breite Skier und Freerider, dann dreht sich das Verhältnis um“, sagt Sanne Mona, während wir mit dem Lift auf den Jochstock fahren. Dort werdendie Felle unter die Skier ge- klebt, und Jan Keller geht voraus in Rich- tung Wendelücke, einem Bergsattel, der nicht nur eine großartige Aussicht, son- dern auch eine vielleicht nochpulvrigeAb- fahrt verspricht. Und tatsächlich: Die schattigen Hänge und Rinnen offerieren noch teils reingeblasenen Powder, in dem die Ski hervorragend Auftrieb bekommen. JanKeller, der uns sicher durch das Felsla- byrinth führt, sagt: „Man muss mit gerin- gen Erwartungen in den Tag gehen, dann wird man positiv überrascht.“ Überraschend ist amTitlis und auchun- ten, im4000 Einwohner zählenden Engel- berg, so manches. Der Ort ist bunt und ziemlich international, wofür nicht nur die Schweden sorgen. Engelberg hat schon vor Jahrzehnten auf Gäste aus Asien ge- setzt, vor allemauf Inder hatman sich spe- zialisiert, der Ort und der Berg wurden in einigen Bollywoodfilmen verewigt. Indi- sche Gäste bekommen hier ein Erlebnis der besonderenArt: Sie fahrenmit der sich drehenden Rotair-Seilbahn auf den klei- nenTitlis, besucheneine bunt ausgeleuch- tete Gletscherhöhle, laufen über eine am Abgrund montierte Hängebrücke, den CliffWalk, und rutschen andenMittelstati- LIFESTYLE REPORTAGE

disch geführten Ski Lodge zurück, erzählt Sanne. „Ich kannte vorher gar keinen Pulver- schnee“, sagt sie, „denn bei mir zu Hause in Åre ist immer so viel Wind, dass der Schnee gleich gepresst wird.“ Vielleicht ist das auch einer der Gründe, weshalb sich so viele tiefschneebegeisterte Schweden in Engelbergniedergelassenhaben. Einande- rer ist die leichte Erreichbarkeit, vomZüri- cher Flughafen sind es gerade einmal zwei Stunden. „Da sind wir schneller als in den norwegischen Skigebieten.“

Von Hans Gasser W er mit den „Big Five“ wirbt, den würde man in Ostafrika erwarten in flir- render Hitze und eher nicht in der Zentral- schweiz. Doch obwohl dieser Winter bis- her zuwarmund äußerst schneearmwar – soweit, dass Leoparden undKaffernbüffel durch Engelberg streifen würden, ist es noch nicht. Und auch die Kühe, die hier sommers auf den Almweiden grasen, sind noch im Stall. Bei den Big Five von Engelberg handelt es sich um fünf Tiefschneeabfahrten, stei- le Hänge im ungesicherten Gelände, die von demmit Bahnen erschlossenen, 3200 Meter hohen Titlis hinabführen. Sie sind der Grund, weshalb die Spezies der Freeri- der hier in Engelberg ihr natürliches Habi- tat hat. Sanne Mona zum Beispiel. Die sympa- thische 32-jährige Schwedin mit blondem Zopf kam vor sieben Jahren in das Berg- dorf, um in der Ski Lodge auszuhelfen und natürlich um ihre „Lines“ in den Tief- schnee zu ziehen. Sie wollte eigentlich nach der Saison wieder zurück. „Aber dannwar es einbisschenzu gut und ichbin gebloben“, wie sie auf Schweizerdeutsch mit schwedischem Einschlag sagt. Sanne fährt bei Freeride-Wettkämpfen mit, in der Qualifikation für die „Freeride-World- tour“, dem Weltcup in dieser Disziplin. Hier in Engelberg hat sie das beste Trai- ningsgelände, um Sprünge über Felsen und möglichst kreative Abfahrten durch den Tiefschnee zu üben. Sie arbeitet aber auch in der ziemlich coolen Ski Lodge, die mit Bar, Restaurant und Hotelzimmern der Treffpunkt der Freerider-Szene ist. Und diese wird hier maßgeblich von den Schweden bestimmt, seit die ersten vor etwa 20 Jahren Engel- berg entdeckt haben und mit Fotos, Fil- men und Artikeln immer mehr Landsleute anlockten. Die Idee mit den „Big Five“ ge- he übrigens auch auf die Crew der schwe- Hinweis der Redaktion: Die Recherchereisen für diese Ausgabe wurden zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Touris- mus-Agenturen. Ein Teil der vorgestellten Produk- te wurde der Redaktion von den Herstellern zu Test- zwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Rei- sen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

SCHWEIZ

Luzern

Vierwald- stättersee

Stans

A 8

Oberrickenbach

Engelberg

A 2

Titlis (3238 m)

10 km SZ-Karte/Mapcreator.io/OSM.org

Andermatt

Reiseinformationen

In Engelberg hängengeblieben, weil es hier „ein bisschen zu gut“ war: die Freeriderin Sanne Mona. FOTO: GASSER

Anreise: Mit der Bahn beispielsweise von München über Zürich und Luzern nach Engelberg, in rund sieben Stunden, bahn.de, sbb.ch Übernachten: Die Ski Lodge Engelberg ist der Treffpunkt der Freerider-Szene, ein Doppelzimmer mit Frühstück für zwei Personen kostet ab 180 Euro, ski- lodgeengelberg.com; Hotel Bellevue, angenehmes Lifestyle-Hotel, DZ mit Frühstück ab 300 Euro, bellevue-termi- nus.ch; Hotel Kempinski Palace, vor knapp zwei Jahren eröffnetes und mo- dern-stilvoll eingerichtetes, einziges 5-Sterne-Hotel im Ort, DZ mit Frühstück ab 590 Euro, kempinski.com Skigebiet: Am Titlis gibt es schöne, aber eher anspruchsvolle Pisten und jede Menge alpine Freeride-Abfahrten; Tages- skipass zwischen 60 und 80 Euro, tit- lis.ch; Bergführer Jan Keller: jkguide.ch, weitere Bergführer und Freeride- Guides: engelbergmountainguide.ch; Buirabähnli: Im Engelberger Tal gibt es viele kleine Bahnen, um dann Skitouren zu machen. Bezahlung direkt an die

Jetzt steht SanneMona ander Bergstati- on des Titlis auf 3000 Meter, schlüpft un- terdemAbsperrbandhindurch, das diePis- te vomungesicherten Gelände trennt, und fährt mit ihren breiten Skiern voraus über den Gletscher, hinein in die Steinberg-Ab- fahrt, eine der Big Five. Heute allerdings wartet in dem weitläufigen, von Felsen durchsetztenGebiet keinhalberMeter Pul- verschnee, sondern eine vom Wind ge- presste, pistenähnliche Schneefläche. Schnee ist bisher Mangelware in diesem Winter, so wenig sei es noch nie gewesen, seit sie da ist, sagt Sanne. Das scheint ih- rem Spaß bei der Abfahrt aber keinen Ab- bruch zu tun. „Mega!“, ruft sie in den Ab- fahrtspausen und warnt vor den „Sharks“ wie die hervorstehenden Steine im Freeri- der-Slang heißen. Die Lawinengefahr hält sich an diesem Tag sehr inGrenzen, das ist natürlich nicht immer so. Nach Neuschneefällen ist Vor- sicht geboten, da an den Abfahrten imGe- lände nicht gesprengt werde, sagt der En- gelberger Bergführer Jan Keller, der mit

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F r ANK FUrT er A L LGeme I Ne SONNTAG S z e I TUNG

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Bauern, seilbahnverband-nw.ch Weitere Auskünfte: engelberg.ch

ImReich der Wildheuer Wo die Wildheuer arbeiten, sind andere als Wanderer unterwegs. Es braucht aber Schwindelfreiheit auf demGratweg vom Stanserhorn nach Engelberg.

DER WANDERTIPP VON THOMAS COMPAGNO „Die Geister, die ich rief“, sagt er heu- te. Denn seit einigen Jahren kämen die Freerider bis an die Zähne bewaffnet, aber leider ohne Demut und Respekt. Das sei ihm zu viel, er geht heute nicht mehr in den Tiefschnee, widmet sich lieber sei- B ald soll es wieder schneien in Engelberg am Fuße des Titlis in den Schweizer Bergen, einem Ort, der 4400 Einwoh- ner zählt und im Winter genauso viele Touristen. Sie kommen aus der ganzen Welt, wegen der feinen Hotels, der edlen Restaurants und der alpinen Kulisse. Vor allem aber kommen sie wegen der Berge und des Schnees, der auch in Zeiten des Klimawandels jeden Winter in so verschwenderischenMengen (2019 war ein Rekordjahr) vom Himmel kommt, dass die Saison von Anfang Okto- ber bis EndeMai geht – so lange, wie sonst nirgendwo in der Schweiz. Die glitzern- den Kristallf locken haben Engelberg unter sogenannten Freeridern auf der ganzen Welt bekannt gemacht. Oder haben da einige eigenwillige Einheimi- sche, die Skifahren nicht als Sport, son- dern als Kunstform betrachten, ordentlich nachgeholfen? Der Pionier „Am 5. Juni 1965“, sagt Geny Hess. An das Datum kann er sich noch genau erin- nern. Es war der Tag, an dem er die erste geplante Freeride-Abfahrt in Engelberg unternahm, auch wenn das damals nicht Freeriden, sondern Tiefschneeskifahren hieß. Es war mal wieder eine sehr lange Saison. „Das war am Galtiberg, und im Sommer zuvor haben wir uns den Hang genau angesehen, um zu wissen, ob das geht“, erinnert sich Geny Hess. Es ging, und heute bezeichnet er diesen Tag als „Initialzündung“. Er war damals 19. Heute ist er 75 Jahre alt. Geny Hess ist ein sogenanntes Origi- nal, das in Engelberg jeder kennt. In den 1960er-Jahren war er Hotelier und im Winter jeden Tag mit seinen Gästen im Schnee unterwegs. Nach jener gelunge- nen Tiefschneeabfahrt hat er ihnen auch das Fahren neben den Pisten beigebracht. „Wir waren damals mit dünnen langen Ski unterwegs und wochenlang allein im jungfräulichen Schnee“, erzählt er. Erst Mitte der 1980er-Jahre habe sich herum- gesprochen, was Engelberg zu bieten hat. Erst kamen Gäste vom Arlberg, dann ein Filmteam um den Amerikaner Warren Miller und skandinavische Journalisten. Geny Hess zeigte auch ihnen seine Berge, und alle waren begeistert, blieben viel län- ger als geplant und erzählten zu Hause von diesem magischen Pulverschnee.

kamen 3000 schwedische Skifanatiker – danach war der Geheimtipp Engelberg Geschichte. In den folgenden Jahren kamen so vie- le Freerider, dass sich auch das Marke- ting neu ausrichten musste. „Das mit den Big Five war so eine Schnapsidee von mir“, erzählt er. „Ich war kurz zuvor in Namibia und dachte mir, das wäre ein guter Name für unsere fünf bekanntesten Freeride-Abfahrten, die man alle an einem Tag schaffen kann. Vom „weltbe- kannten Laub, dem herausfordernden Sulz, dem mächtigen Steinberg, dem versteckten Steintäli und der herausfor- dernden Abfahrt vom Galtiberg“ ist heu- te in den Werbebroschüren die Rede. Und der Vergleich mit den Tieren wird natürlich auch gezogen: Groß wie ein Elefant sei das Laub, anpassungsfähig wie der Büffel das Sulz, dickhäutig wie das Nashorn der Steinberg, getarnt wie ein Leopard der Steintäli und königlich wie ein Löwe der Galtiberg. Zusammen sind es fast 10000 Höhenmeter an einem Tag. „Das ist wie Heliskifahren ohne Heli“, schwärmt Füssenich. Die schwedischen Skifahrer pilgerten fortan in Scharen an den Titlis. Und viele von ihnen blieben, lebten erst in Wohn- mobilen, kauften später Wohnungen, angelten sich Schweizerinnen und verän- derten über die Jahre hinweg den Ort. Vier Flüge aus Stockholm landen nun im Winter jeden Tag in Zürich. Die „Ski Lodge“, ein Hotel und Restaurant gleich neben dem Bahnhof, ist noch immer das Zentrum der Schweden Engelbergs. Die Besitzer sind Schweden, viele Angestellte sind Schweden und die meisten Gäste auch. Abends treffen sie sich in der Ski- lodge, trinken ein Bier an der Bar. Vor der Türe sitzen ein paar Jungs mit Woll- mützen und Biergläsern in einemWhirl- pool neben der Terrasse. Es wird schwe- disch, englisch und schwyzerdütsch gesprochen, und hin und wieder schaut einer auf die Wetterapp. Denn wenn kein Schnee angekündigt ist, dann ordern sie noch eine Runde, wenn aber über Nacht Schnee fallen soll, dann gehen sie diszi- pliniert ins Bett und stehen am nächsten Morgen um acht Uhr in der Gondel- schlange. Da gibt es klare Prioritäten. Mittlerweile haben die Schweden auch das Hotel Hoheneck, das Spannort und Spannort Inn übernommen, und in der Dorfstraße hat eine schwedische Kaffee- rösterei eröffnet. Zu diesem „Schweden- pack“, wie die Engelberger und auch die Schweden selbst sagen, gehört auch Oskar Enander.

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hgasser SZ20230304S9000385

STECKBRIEF Stanserhorn–Engelberg An-/Abreise: mit Bahn und Seilbahn via Stans aufs Stanserhorn, mit der Bahn ab Engelberg zurück.

Acht Tage mit Wanderzeiten von sechs und mehr Stunden und locker auch mal 1500 oder noch mehr Höhenmeter hin- auf und hinunter – das ist der Tell-Trail, der Weitwanderweg von Altdorf UR bis nach Sörenberg LU. Man trifft dabei auf so manchen Innerschweizer Gipfel, passiert sozusagen die «six summits» der Zentralschweiz: Stoos, Rigi, Pilatus, Stanserhorn, Titlis und Brienzer Rot- horn. Nicht alle zu Fuss, manchmal darf man mit einer Bahn abkürzen. Fotografin Andrea Meier und ich ha- ben die Königsetappe vom Stanserhorn nach Engelberg OW ausgewählt. Neun Stunden und 23 Kilometer lang ist die Etappe, die man aber mit einer Über- nachtung auf der Alp Laucheren unter- brechen kann. Die Tour führt über die landschaftlich spektakulären Arvigrat und Schluchigrat und durch die mit Seilen gesicherte Schlüsselstelle bei der Felspassage Wagenleis (kleines Bild). Wenn Kälber den Weg versperren Schon der Abstieg vom Stanserhorn Richtung Ächerli, hier muss man 500 Hö- henmeter absteigen, hat es in sich. Das Gelände ist steil und derWeg schmal. Bei trockenemWetter wäre es kein Problem, aber der Weg ist an diesem Tag feucht, stellenweise nass. Deshalb muss man sehr vorsichtig gehen. Aber das ist in den Bergen ohnehin immer zu empfehlen. Ir- gendwann haben wir die steilste Passage hinter uns. Der weitere Weg führt zwar noch immer bergab, aber weniger steil. Fotografin Andrea Meier und ich sind froh, dass es jetzt weniger gefährlich ist.

Schwierigkeit:

anspruchsvoll

23 km 1530m 2400m In ihrem element Engelberg in der Schweiz gilt als eines der besten Tiefschneegebiete der Alpen. Das liegt auch an den Menschen, die dort leben und Skifahren als eigene Kunstform betrachten Von Andreas Lesti 9 Std.

Strecke: Aufstieg: Abstieg:

Dauer:

BeimWagenleis-Tobel muss man die Hände zu Hilfe nehmen (l.). Der Gratweg vom Stanserhorn nach Engelberg, hier im Gebiet Schluchberg, gilt als Königsetappe des Tell-Trails.

ner anderen Leidenschaft, dem Wein. Aber diese Ski-Faszination, die spüre er immer noch jeden Tag. „,Einmal Laub‘, höre ich immer wieder Amerikaner oder Skandinavier andächtig sagen – wie Katholiken, wenn sie über den Petersdom sprechen.“ Das „Laub“ ist neben dem Galtiberg eine der großen Tiefschneeab- fahrten. Der Visionär Frédéric Füssenich sitzt im Teamroom in der Dorfstraße und rührt in einer Tasse Earl Grey. Er war von 2010 bis 2020 Tourismusdirektor von Engelberg. „1995 habe ich bei Geny als Nachtpor-

tier imHotel Hess gearbeitet“, erzählt er. Nachts habe er gearbeitet, tagsüber war er mit Geny und den Gästen im Schnee. „Ich hab immer das Schlusslicht gemacht.“ Es war ein Winter, der ihn gut vorbereitet hat auf das, was er dann ab 2002 erlebt hat. Füssenich war mittler- weile Salesmanager und betreute ein schwedisches Skifilmteam. An den tief verschneiten Hängen des Titlis drehten sie „Free Radicals 3“, einen Film, von dem heute noch viele sagen, er hätte Engelberg nachhaltig verändert. „Die wollten eigentlich eine Woche bleiben, aber dann wurden daraus drei Monate“, erinnert sich Füssenich. Zu den Premie- re-Partys in Göteborg und Stockholm

Dachtenwir. Keine zehnMinuten spä- ter blockieren zwei Kälber unserenWeg. Sie haben sich den Wanderweg als Rast- platz ausgesucht. Schön für sie, heikel für uns, denn wir können nicht auswei- chen. Das Gelände ist unwegsam, sodass man den Wanderweg nicht so einfach verlassen kann. Unser Blick geht hoch in den Wald. Sind die Muttertiere in der Nähe? Dann müssten wir einen Plan B austüfteln, denn die Kälber vomWeg zu scheuchen, wäre eine schlechte Idee. Auf den ersten Blick ist nichts zu sehen. So trauen wir uns, auf die Kälber zuzu- gehen. Allmählich bequemen sie sich aufzustehen und sich zu entfernen.

ImGebiet Ächerli beginnt der Aufstieg zum Arvigrat. Die 500 Höhenmeter, die wir gerade abgestiegen sind, geht es nun wieder «obsi», denn der Grat liegt sogar noch ein paar Meter höher als die Bergstation der Stanserhornbahn. Klingt nach Anstrengung, aber derWanderweg hier ist wunderschön. Wir gehen den steilen Grat imWald hoch, Wurzeln und Felsen erleichtern den Tritt. Manchmal ist der Weg mit Holzstufen befestigt. Normalerweise kämpft man sich hoch und hofft, endlich oben anzukommen. Doch bei diesem Aufstieg wünscht man sich insgeheim, er möge nicht aufhören. Hinter jeder Biegung desWeges entdeckt

Seite 67 Übernachten auf der Alp Auf dem Arvigrat ist die Endhöhe er- reicht. Nun geht es etwas auf und ab. Der Arvigrat geht über in den Gräfimattgrat, dann geht es auf der Grenze zwischen den beiden Halbkantonen weiter süd- wärts Richtung Schluchberg, der höchs- ten Erhebung auf unseremWeg. Zum Übernachten unterbrechen wir unsereWanderung auf der man ein neues Gelände. Aber irgend- wann steht man dann doch auf dem Ar- vigrat, rechts Obwalden, links Nidwalden und in der Mitte derWanderer mit einem Prachtspanorama vor sich.

Ein Engelberger Original und 1965 der erste Freerider: Geny Hess Fotos Oskar Enander

Engelberg OW NW

Fortsetzung auf der folgenden Seite

FOTOS ANDREA MEIER KARTE JANINA NOSER

Stanserhorn

Stansstad

Sarnen

1 km

Stans

Sachseln

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Coopzeitung Nr. 27 vom 5. Juli 2022

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Käse auf Kufen Auf der Fürenalp in der Zentralschweiz gibt es einen Fondue-Schlitten an die Hand. Den Picknickplatz sucht sich jeder selbst in der Berglandschaft

FortSetzung von Seite 41 In Südtirol

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Südtirol hätten. René erzählt: „Selbst die Carabinieri oben am Piz La Ila sagen: Warum sollen wir denn kont- rollieren?“ Am nächsten Vormittag sind die Dolomiten ein Abbild unserer selbst: Neuschnee dämmt die Wahrneh- mung, und wie eine Gleich- gewichtsstörung wabern Wolken zwischen den Gipfeln. Doch hin und wieder sind da Momente der Klar- heit, wenn plötzlich die Ostwand des Piz Boé imNebel aufblitzt, von einer Sonne angestrahlt, die man nicht sieht. Bin ich restalkoholisiert oder nur berauscht von dieser phantasti- schen Berglandschaft? Der Himmel wird immer blauer, und wir schlingern auf Ski durch den knöchelhohen Schnee über die Pis- ten – über den Piz Sorega Richtung Passo Campolongo, dann nach Col- fosco Richtung Grödner Joch. Sogar die Abfahrten klingen hier wie Jahr- gangsweine: Gran Risa und Saslong, Sassongher und Pralogiá. Vor der Passhöhe wollen wir uns in der Jim- mi-Hütte beim Espresso ausnüch- tern und aufwärmen. Ein Wolken- band schiebt sich über die Sellagrup- pe, im Westen schält sich der Lang- kofel heraus, und im Rücken der Hütte glitzern die Cirspitzen in der Sonne. Eine Aussicht, prickelnd wie ein eisgekühlter Arunda-Sekt. Der Anblick sticht hinter den Augen, und der Schmerz erinnert daran, dass in einer Stunde schon die nächste Ver- kostung auf der Edelweiß-Hütte auf dem Programm steht. Mit Spätbur- gunder, Kalterer See, Vernatsch und Amarone. „Heil die Berge, weit die Sicht und jeden Tag einen Rausch im G’sicht“, wird der Hüttenwirt dann rezitieren. Da fallen mir die rot- weiß-blauen Ski vor der Hütte auf. „Carabinieri“ steht drauf, und „112“. Tatsächlich sitzen am Tresen vier Polizisten in Skianzug-Uniform. Ski- lehrer René kennt sie natürlich, grüßt und unterhält sich auf Ladinisch mit ihnen, eine Geheimsprache, die nur in diesem Alpental gesprochen wird und Zugereiste auch nüchtern nicht verstehen. Ich komme dazu und den- ke: Das ist der Zeitpunkt, alles zuzu- geben, jeden einzelnen Gewürz- traminer, Sauvignon, Pinot Noir und Muskateller, das Missachten von 0,5 Promille, das betrunkene Fahren im Schnee. Doch die vier Carabinieri sitzen gesellig vor vier Gläsern Ries- ling. Um halb zwölf. Was denn mit dem Alkoholregelung sei, frage ich, und René übersetzt. „Ach, das Gesetz

„Die Landschaft ist das Restaurant“, sagt Josefa Portmann, deutet in die schnee- weiße Weite des Hochtals und schickt uns mit dem Fondue-Schlitten los. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken, und alles strahlt und glitzert. Es gibt wirklich schlechtere Plätze für ein Mit- tagessen. Ein Fondue-Schlitten also. Die Idee entstand während der Corona-Lock- downs. „Wir machten aus der Not eine Tugend“, erinnert sich Portmann, die Hüttenwirtin auf der Fürenalp bei Engel- berg in der Zentralschweiz. Das Bergres- taurant durften sie damals nicht öffnen, aber in die Natur durfte man. Und so haben sie die „Fondue-Böxli“ erfunden: eine Holzkiste mit einem Fondue-Topf, einem Gaskocher, Tellern, Besteck, Bechern, Brot, Tee und Käse. Der kommt aus der Engelberger Klosterkäserei und schmeckt an der frischen Luft besonders gut. „Wer zu uns hier hochkommt, schätzt die Ruhe und ist ausgabefreudig“, sagt ihr Mann Urs, der im Restaurant kocht. „Da darfst du mit schlechter Qualität nicht kommen.“ Und damit man das alles auch transportieren kann, befestigten sie das Böxli auf einem Schlitten und legten noch ein Schafsfell drauf, dass man bequem sitzt. „Fondue-Schlitten – Take Away“

Nach zehn rechtsdrehenden Minuten ist der Käse sämig, und es dampft aus dem Topf. Hungrig und ausgekühlt machen wir uns drüber her und sind uns einig: Nie hat ein Fondue besser geschmeckt. asl Die Fürenalp erreicht man, indem man über Zürich mit der Bahn nach Engelberg fährt und im Talschluss die Luftseil- bahn Engelberg-Fürenalp nimmt. Die Bahn endet am Berg- restaurant. Ein Fondue-Schlitten für zwei Personen kostet inklusive einer Flasche Wein 77 Franken: fuerenalp.ch

nannten sie den Käse auf Kufen und waren überrascht, wie gut ihre Idee ange- nommen wurde. Mit dem Böxli auf dem Schlitten zie- hen wir los, erst zehn Minuten auf dem Weg bergwärts, dann links steil bergauf ins Gelände zu einer kleinen Tanne, die dort an einer Geländekante aus dem Schnee ragt. Wir sind uns einig: Das ist unser Mittagsplatz! Bis zu den Knien sinken wir auf den letzten Metern ein und zerren den Schlitten ans Ziel. Doch die Schinderei lohnt sich. Völlig allein sind wir, außer Sichtwei- te der Hütte und mit direktem Blick auf die eindrucksvolle Titlis-Ostwand. Zur Fürenalp fährt nur eine kleine Luftseil- bahn, das Hochtal ist nicht mit dem Ski- gebiet von Engelberg verbunden. Das heißt: Nur ein paar Winterwanderer und Tourengeher sind heute in dieser stillen Bergkulisse auf 1850 Metern unterwegs. Kein Vergleich zum Trubel und den vielen internationalen Touris- ten, die sich irgendwo dort oben, auf der anderen Seite des Titlis, in den ver- schiedenen Erlebniswelten austoben. Dann packen wir die Kiste aus. Der Schlitten wird zur Sitzbank und die Kiste zum Tisch. Sogar ein rotkariertes Tisch- tuch haben die Portmanns mit einge- packt. Und eine Pfeffermühle. Und eine Halbliterf lasche Mon Féchy 2020. Mit einem Streichholz zünden wir den Gas- kocher an, legen den Käse in den Topf und beginnen zu rühren. „Immer rechts- rum. Sonst wird der Käse verrückt“, hat- te Urs noch gesagt. Wir rühren und schauen und schauen und rühren, medi- tativer geht es kaum. Erst das laute Grol- len einer Lawine, die in sicherer Entfer- nung durch die Ostwand rauscht, reißt uns aus der Hypnose.

Heiße Alternative zum Picknickkorb: der Fondue-Schlitten der Fürenalp.

Trinken ist angesichts des f lüssigen Käses dringend angesagt. Fotos Engelberg-Titlis Tourismus

Wo zerlaufen sie denn?

Ein teuflisches Vergnügen In Pontresina mit der Gondolezza in den Fonduehimmel

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Für die einen ist es das Schönste, was man am Silvesterabend machen kann, ein Ritual, das Familie und Freunde zusam- menbringt, die anderen fürchten sich genauso intensiv davor, dass sie sich nach Verzehr dieser Köstlichkeit am Neu-

das sei eine Herausforderung, der hänge überall im Raum; ein Hotel, das im Res- taurant Fondue serviert, riecht überall wie ein bewohnbarer Käse. Was lag da näher, als dem f lüssigen, duftintensiven Milchprodukt sein eigenes, abgeschlos-

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