Engelberg_Magazin_No_15

Frau mit dem Norwegerhand- schuh, Plakat von Herbert Matter aus dem Jahre 1935, gedruckt bei A. Trüb & Cie Aarau. Woman with Norwegian glove, poster by Herbert Matter, 1935, printed by A. Trüb & Cie Aarau.

*Wendelin Odermatt (56) ist Restaurator und Mitbe- sitzer der Firma Stöckli AG, Stans. Er lebt in Engelberg. Ein weiterführender Beitrag Odermatts zum Thema findet sich in der Ängelbärger Zeyt 2013: «Von der Landschafts- kulisse zur Erlebniswelt – En- gelberger Werbeplakate».

*Wendelin Odermatt (56) is a re- storer of antiques and co-owner of the company Stöckli AG in Stans. He lives in Engelberg. Further reading: Article by W. Odermatt on the same subject in the Ängelbärger Zeyt yearbook for 2013, “Von der Landschaft- skulisse zur Erlebniswelt – Engelberger Werbeplakate”

Plakate als Zeitzeugen Messages froma bygone age Text: Wendelin Odermatt*

Alte Tourismus-Plakate sind, je nach Lesart, Informationsträger, Werbebotschaft oder gar schöne Verführerinnen. Sie waren das Mittel, den Kurort und die gewünschten Werbebotschaf­ ten bekannt zu machen. Daneben sind sie auch Zeitzeugen der damaligen Werte, Wünsche und Gestaltungsmittel. Sie sind vielschichtige Momentaufnahmen, die selten dokumentarisch, aber immer aufschlussreich sind. Die Engelberger Tourismusplakate enthielten fast immer werbewirksame Bilder, die in älteren Versionen konkrete Qualitäten des

Blütenkelch und dem weissen Schmetterling von 1928 sein; es zeigt die Seilbahn und den Hahnen nur mehr stark abstrahiert im Hintergrund. Die- se Hinwendung zu emotionalen Nahaufnahmen wird in den späten 30er und 40er Jahren von an- deren Plakatgestaltern aufgenommen, erreichte aber nie mehr die Qualität von Matters Arbeiten. Ab den 1950er Jahren kehrten dann Landschafts- aufnahmen, gerade ins Bild gesetzte Schriften und der weisse Rand in die Engelberger Touris- musplakate zurück.
Ein Plakat für Schicks Grand Hotel von ca. 1955 ist ein schönes Beispiel für die-

Ortes anpriesen, ab den 1920er Jahren aber zunehmend den Zeitgeist und die individuelle Befindlichkeit ansprachen. Eines der extremsten Beispiele dieser Kategorie ist die Frau mit dem Norwegerhandschuh

se Rückkehr zur traditionelle- ren Plakatwerbung. Zwischen dem expressiven Plakat mit dem Schmetterling und demje- nigen für das Grand Hotel lie- gen der Zweite Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise, wel-

Alte Tourismus-Plakate sind Informationsträger, Werbebotschaft oder gar schöne Verführerinnen.

von Herbert Matter. Auf diesem Plakat wirbt erstmals eine konkrete Persönlichkeit für Ferien in Engelberg. Die unerhörte emotionale Dichte dieses Plakats berührt einen bis heute.
In Mat- ters Collagen wurde die Landschaft zum Attribut und zur Projektionsfläche von immateriellen Werten wie Freiheit, Fernweh und Gesundheit. Die austauschbaren Landschaftsschnipsel wur- den mit Personen, Linien und einer geschickt eingesetzten Typografie zu etwas Neuem und unerhört Modernem. Herbert Matters Arbeiten für Engelberg sind hervorragende Beispiele der Moderne. Auf Herbert Matters Plakaten der 1930er Jahre wurde die Gebirgslandschaft zur beliebigen Kulisse, der Wiedererkennungswert des Gebirgszuges ist zweitrangig. Der Vorder- grund wird beherrscht von der lachenden jungen Frau mit Schneekristallen im braungebrannten Gesicht. Diese Hinwendung Matters zur Nah- aufnahme beginnt deutlich früher, die erste „Makroaufnahme“ als Werbemotiv für Engelberg dürfte Herbert Matters Plakat mit dem roten

che den Tourismus hart traf. Die Krisenjahre und deren Bewältigung veränderten die touristische Ausrichtung des Ortes, somit auch die Plakatwer- bung und langfristig das Dorf insgesamt. Das Hotelplakat von 1955 markiert exakt diese Zei- tenwende des Aufbruchs, Schnee und Eis verde- cken auf dem Plakat zwar die frische Baubrache der abgerissenen Kuranstalt, aber die Kuranstalt und das Hotel Sonnenberg waren die Opfer der Krisenjahre. Ihr Abbruch war 1943 in einer bun- desrätlichen Studie zur «baulichen Sanierung von Hotels und Kurorten» empfohlen worden. Mit den noch intakten Anlagen des Kurparks und des Titlisparks zeigt dieses Plakat den Brenn- punkt der einsetzenden Bautätigkeit, welche das Dorfbild bis heute prägt. Das Schmetterlings- plakat von 1928 und das Hotelplakat von 1955 markieren einerseits den Zeitraum vom Beginn der Krisenjahre bis zum Aufbruch in die Boom- jahre der Nachkriegszeit. Mehr noch illustrieren alle drei Plakate Beginn, Höhepunkt und Aus- klang der Moderne in der Engelberger Werbung.

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