Programmheft_Skispringen_2021.indd
«DIE SCHÖNSTEN MOMENTE MEINER BERUFSJAHRE»
INTERVIEWMIT MICHAEL STÄUBLE, SRF SPORT
«Flieg, Simi, flieg» – dieser Aufruf wird an Michael Stäuble wohl für immer haften bleiben. 29 Jahre begleitete der SRF-Kommentator die Skispringerszene. Am 18. und 19. Dezember kommentiert er zum letzten Mal den Weltcup in Engelberg, Anfang 2022 geht der Sport- journalist in Pension. Michael Stäuble, Sie kommentieren Ihren letzten Skisprung-Weltcup in Engelberg für SRF. Ein besonderer Abschied? Ganz sicher! Der Skisprung-Sport ist mir in den fast 30 Jahren als Kommentator so sehr ans Herz gewachsen, wie ich mir das nie hätte vorstellen können. Ich durfte grossartige Men-
schen kennenlernen: Springerinnen, Springer und Trainer der verschiedensten Nationen. Ich freue mich schon auf ein Wie- dersehen als Zuschauer. Ihr Erinnerungsschatz muss riesig sein. An welches Highlight denken Sie speziell gerne zurück? Die vier Olympia-Goldmedaillen von Simon Ammann überra- gen alles. Der erste Titel war ganz besonders. Im Probedurch- gang war er gleichauf mit den Topfavoriten Hannawald und Malysz, mich packte der Schauder. Ich sagte mir: «Mensch reiss dich zusammen, da wird gleich etwas ganz Unglaubli- ches passieren!» Die Bilder, wie Ammann mit den Teamkolle-
gen im Schnee herumtollte, werde ich nie vergessen. Eine Befreiung für einen Sport, der in der Schweiz bislang ein Mauerblümchendasein gefristet hatte. Sie begleiteten die Karriere von Simon Ammann von Anfang an. Ein Glücksfall für Sie und die Schwei- zer Skispringerszene? Simon Ammann hat mir die schönsten Momente meiner Berufsjahre beschert. Er hat aber auch Nachwuchsspringer inspiriert wie Killian Peier, der an der WM 2019 Bronze gewann. Doch für grosse Schweizer Erfolge stehen auch And- reas Küttel und Sylvain Freiholz. Aber Simon Ammann ist natürlich ein «once in a lifetime»-Glücksfall. Sie sind dem Skispringen viele Jahre treu gewesen. Worin liegt für Sie der Reiz bei diesem Sport? Als Jugendlicher hatte ich die Silber-Sprünge von Walter Steiner in Sapporo bejubelt. 20 Jahre später stand ich an der Schanze in Oberstdorf und für mich sahen alle Sprünge gleich aus. Der damalige österreichische Cheftrainer Heinz Koch sagte: «Komm mit zur Trainertribüne, ich zeig dir, wie Skispringen geht.» Heute ist es ein Anspruch, die Athleten nicht an ihrer Startnummer, sondern am Sprungstil zu erkennen, und schon beim Absprung zu sehen, wohin die Reise geht. So nahe am Geschehen zu sein muss neugierig machen. Hatten Sie den Mut selbst mal eine Sprung- schanze runterzuspringen? Ja, ich bin ein paarmal in Einsiedeln über die 25-Meter-Schanze gefahren. Gefahren, denn Springen kann man das ja nicht nennen. Ich ging zwar schön in die Hocke und versuchte auch etwas Power am Tisch einzusetzen, aber ich war immer zu spät. Nebenan trainierte die Schweizer Elite und einmal stand doch tatsächlich Simon Ammann beim Auslauf. Ich fragte ihn wie weit ich denn gesprungen sei. Er antwortete ein wenig verlegen: «Du kämpfst noch mit der ersten Linie ganz oben.» Das war dann wohl die 10 Meter-Marke… Bild: SRF/Marcus Gyger
12
Made with FlippingBook PDF to HTML5