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AUSZUG AUS DEMMEDIENSPIEGEL
2023/2024
. . . . . . . . . . . . KAPITELTHEMA
Gratwanderung. Die Felspassage Wagenleis ist zwar
2 2 • L eben + G en i e s sen
Samstag, 12. August 2023
mit dicken Seilen zum Festhalten abgesichert – Trittsicherheit und
KUL I NAR I K : Zwei Köche, die sich in der Natur bedienen Von Höfen undWäldern auf die Teller
Schwindelfreiheit sind aber trotzdem Voraussetzung.
Kochen mit den Jahres- zeiten ist für zwei Köche aus Stockholm selbstver- ständlich. In Engelberg OW
einander gefunden haben und sich die Gelegenheit um die Villa Hundert aufgetan hat. Die Alpen bieten aber nicht nur Freizeitspass, wie sie schnell gemerkt haben. Sie sind reich an Produkten, die auf den Tel- lern landen können. «Die unter- schiedlichen Höhenlagen sind für uns reizvoll», sagt Brangenfeldt. Ist eine Blume, die sie für ein Ge- richt verwenden, im Tal verblüht, holen sie sie von etwas weiter oben und können das Gericht länger auf der Karte halten. Jezewski, der vor allem für die Küche verantwortlich ist, sagt, er sei erstaunt, dass in der Schweiz noch so wenig mit den Jahres- zeiten und den Wildpflanzen gekocht werde. In Schweden sei das eine Selbstverständlich- keit. Tatsächlich ist es ein Trend, der erst langsam und mit dem Einfluss skandinavischer Köche zu uns kommt. Aber er kommt. Die Foodtrendforscherin Han- ni Rützler bezeichnet die Küche der sogenannten «Wild Foods» jedenfalls als Trend, der sich aus demNorden Richtung Süden aus- breiten und so schnell nicht ver- schwinden wird. Farbpalette im Schrank Zur Arbeit mit den Jahreszei- ten gehört auch das Haltbarma- chen. Jezewski und Brangenfeldt kennen sich damit aus. In ihrem Keller sieht man grosse Gläser. Die farbige Palette ist nicht nur fürs Auge eine Freude, sondern bestimmt auch für den Gaumen. Das wird sich aber wohl erst im Winter zeigen, wenn sie die kon- servierten Produkte zu den Gäs- ten bringen werden. Brangenfeldt und Jezewski wollen so gut wie nur Schweizer Produkte anbie- ten. Je regionaler, desto besser.
Hie und da ein diskreter Blick auf die Handy-Uhr. Sie sind zu höflich zu sagen, dass sie gehen müssen, bis es ihr Besuch von selbst merkt. Die beiden haben an diesem Tag noch etwas vor. Sie werden im Wald kochen. Auf dem Feuer. Im Rahmen des sogenannten «Unplugged Dinners». Gäste können dort fünf Gänge essen, die von ver- schiedenen Köchen aus Engel- berg und Umgebung zubereitet wurden. Die Köche der Villa Hundert sind fürs Dessert ver- antwortlich. Am Abend stehen Jezewski und Brangenfeldt also am Feu- er. Unter Planen. Zum Glück. Denn es regnet ohne Unterlass, wie so oft in diesem Sommer. All die jungen Köche wuseln um das Feuer, helfen einander und scherzen. Als es ans Dessert geht, arbeiten Brangenfeldt und Jezewski konzentriert, schauen aber ab und zu auf, tanzen für die Gäste, die sie filmen. Sie haben ein grosses Ahorn- blatt vom Baum aus dem Gar- ten der Villa Hundert ausge- legt. Darauf streichen sie das Püree von den auf dem Feuer gebratenen Pastinaken. Auf das streuen sie selbst gesammelte Waldbeeren und Wildkräuter. Was sonderbar klingen mag, ist eine Offenbarung. Es schmeckt hervorragend und man merkt, dass die jungen Männer, die erst seit Kurzem in Engelberg sind, ihr Handwerk verstehen. Es erstaunt nicht, dass aus der ganzen Schweiz Leute zu ihnen reisen. Denn wer das Dessert probiert hat, will unbedingt wis- sen, wie Vorspeise und Haupt- gänge bei ihnen schmecken. Und auch, was aus den unreifen Erdbeeren wird.
Deshalb muss vorgesorgt werden, wenn sie im Winter ein Beeren- Dessert servieren wollen. Im einen Glas schwimmen deshalb kleine rote Wald-, im anderen noch grüne Gartenerdbeeren. Die haben auch schon für Verwirrung gesorgt, wie sie später erzählen. Arbeit mit Landwirten Obwohl gerade Jezewski viel und gern in der Natur sammeln geht, brauchen sie auch Bäuerin- nen und Bauern, die sie mit Pro- dukten versorgen. «In Schweden haben wir immer mit Landwir- ten zusammengearbeitet. Das wollten wir hier auch», erzählen sie. Erstaunlich schnell lernten sie verschiedene Produzenten kennen. Gemüse und Früchte bekommen sie zum Beispiel vom Hof Buuregarte in Hünenberg ZG oder vom Wydacherhof aus Oberdorf NW. Das Fleisch holen sie bei Holzenfleisch in Ennet- bürgen NW. Einmal in der Wo- che fahren sie selbst auf den Hö- fen vorbei. «Wir wollen Kontakt zu den Leuten und einen Bezug zu jedem Produkt, damit wir zu 100 Prozent hinter dem stehen können, was wir verarbeiten. Manchmal meldeten sie bei den Bauernfamilien auch spezielle Wünsche an. «Als ich nach den unreifen Erdbeeren fragte, schau- te mich die Bäuerin verwundert an», erzählt Brangenfeldt. «Du bist komisch, aber ja, das kannst du haben.» Ähnlich wie bei den unreifen Erdbeeren suchen sie immer nach neuen Produkten. «Wir sind richtige Fooddetekti- ve», sagen sie. Wenn sie zum Bei- spiel einen Schweizer Bauernhof finden, auf dem Shrimps gezüch- tet werden, sind sie begeistert. Allmählich rutschen die bei- den auf ihren Stühlen umher.
pralle, hinter der die echte Welt liegt – so male- risch, unberührt und vollkommen scheint hier alles. Wie das Ende der Welt! – jedenfalls der hektischen, lauten, schmutzigen und anstren- genden Welt, in der viele von uns leben. Nach circa zwei Stunden, die uns zu einigen neu ent- deckten Kraftorten führen, erreichen wir die Blackenalp, die in einem idyllischen Talkessel des Nachbarkantons Uri liegt. Dort schlage ich mein Zelt auf – mit Blick auf den rauschenden Fluss und unzählige Kühe, deren Glockenläu- ten uns hier oben auf Schritt und Tritt begleiten. Wir stärken uns mit leckeren Älplermagronen, das sind Nudeln und Kartoffeln mit Käse und Rahm, dazu gibt es Röstzwiebeln und Apfel- mus. Mit Schlafsack und Decken eingehüllt, lausche ich wenig später, vor dem Einschlafen, dem ewigen Strom meines Atems, der sich mit der herrlichen Nachtluft vermischt. Zum Frühstück am nächsten Morgen gibt es fri- sches Brot, selbstgemachte Butter und ein Stück Blackenalp-Bergkäse, dazu eine große Schale Pfefferminztee. Was für ein köstlich spannen- der Kontrast zum meterlangen Buffet im Kem- pinsiki Palace. Wenige Stunden später genieße ich genau dort die heiße Regenwalddusche mei- nes Hotelzimmers. Anschließend gönne ich mir eine Tasse Nespresso und zwei raffinierte Petit Fours aus der Hotelküche auf meinem sonnigen Balkon, während ich die ersten Social Media Posts der Reise verfasse. Luxus und Natur pur: Das Beste aus verschiedenen Welten lässt sich hier in Engelberg ganz wunderbar und überaus köstlich miteinander vereinen. „Von allem öp- pes … freu dich druff“, würden die Schweizer sagen. Und genau das tue ich auch, vom ersten Moment an bis hin zum nächsten Besuch. haben sie ein Restaur nt eröffnet. Sie sind fasziniert von der alpinen Natur. Die nutzen si . Auch im Wald auf dem Feuer. JULIA SPAHR «Ich dachte schon, du fragst nie.» Die beiden jungen Köche John Jezewski und Christian Brangenfeldt rennen förmlich aufeinander zu, als sie geb ten werden, für ein Foto zu posie- ren. Sie nehmen ein nd r in den Arm und lachen in die Kamera. Beide tragen ein petrolgrünes Leinenhemd, das sie fast mit der Natur verschmelzen lässt. Sie stehen m Garten der Villa Hundert. Einem alten Haus, das früher Kranken für Sauerstoff- kuren gedient hat und danach lange ein Konferenzzentrum ar. L tzen Winter kamen die jungen Männer aus Stockholm und machten daraus ein Pracht- stück. Ein Hotel, aber vor allem ein Restaurant. Benannt nach der Hausnummer des Gebäu- des. Das Restaurant ziehe Gäste aus der ganzen Schweiz an, sa- gen sie. Später wird sich zeigen, ob ihre Kochkünste tatsächlich so gut sind, dass sich das lohnt. An diesem verhangenen Tag ste- hen si n n im Garten vor drei Hochbeeten. Kapuzinerkresse, Maggikraut und Wermut wu- chern geradezu in die Höhe. Das alles wird Eingang finden in die Menus. Ebenso wie das Gemü- se, das in den neu geschaffenen Garte beeten wächst. Vor all m aber gehen die beiden raus in die RÄTSEL
John Jezewski in der Wald- küche. (Bilder: Rainer Eder)
Christian Brangenfeldt am «Unplugged Dinner».
Konserviertes Gemüse und Beeren. (Bild: jul)
Das überraschende Dessert im Wald. (Bild: jul)
letztgenannte Passion hat ihn in die Alpen geführt. Schon seit vie- len Jahren wollte er in eine Re- gion mit Bergen. Lange habe es gedauert, bis er und Brangenfeldt
Wälder und auf die Wiesen, um sich in der Natur zu bedienen. «Sammeln ist nebst Kochen und Snowboarden meine grösste Lei- denschaft», sagt Jezewski. Die
Unfassbar schön: Das Engelberger Tal A m Nachmittag erwartet mich mein persön- liches Highlight der Engelberg-Reise und bis dato auch des Jahres 2023: Eine Wanderung zur Blackenalp mit Übernachtung im Zelt. Ein Teil unserer Reisegruppe legt die Strecke mit E-Mountainbikes zurück. Wer sich lieber auf das herrliche Naturschauspiel statt auf sein Rad konzentrieren möchte, der nimmt die Seil- bahn hoch zur Fürenalp, die über die mächtige
Kletterwand der 700 Meter hohen Fürenwand schwebt und läuft dann ca. fünf Kilometer auf einem grandiosen Höhenweg vorbei an der Alp Äbnet, Alp Hobiel und dem Stäuber Wasser- fall. Die Landschaft und der Blick auf das Titlis Bergmassiv, die blühenden Wiesen, die plät- schernden Bäche und Wasserfälle, die Kühe, Ziegen und Schafe ist so atemberaubend schön, dass ich immer wieder stehen bleiben muss, um mich zu sammeln, mir die Augen zu reiben und mir selbst zu versichern, dass ich wirklich hier bin und alles ummich herum real ist. Insgeheim rechne ich damit, dass ich irgendwann vor einer Tür stehe oder gegen eine unsichtbare Wand
REISE
Es gibt verschiedene Schlittelbahnen, die Spass für die ganze Familie bieten
Engelberg beherbegt auch ein Kloster aus dem 12. Jahrhundert. Wanderwege führen den Titlis hinauf und Skipisten im Zickzack hinunter
Im Skigebiet warten 82 perfekt präparierte Pistenkilometer auf die Skifahrer. Übrigens:
Andrea Lang
Engelberg aus der Seilbahn, die zum Trübsee hinaufführt. 1120 wurde hier das Kloster «Mons Angelorum» gegründet und damit auch das Dorf Engelberg, das heute zum Kanton Obwalden gehört.
Namensgebend ist der Titlis, der mit seinen 3238 Metern zur Gebirgsgruppe der Urner Alpen gehört
5 DIE NEUE ReiseLust Himmel so nah Dem
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In der Gletschergrotte können Sie das bis zu 5000 Jahre alte Eis spüren
Engelberg-Titlis
Skifahren, Schneeglanz und atemberaubende Natur – erfahren Sie, warum dieser Ort ein absolutes Muss für alle Wintersportbegeisterten ist WINTERZAUBER der Extraklasse
Ein Erlebnis der besonderen Art ist die Fahrt mit der Titlis Rotair
Die Zahlen sind durch Buchstaben zu ersetzen. Dabei bedeuten gleiche Zahlen gleiche Buchstaben. Bei richtiger Lösung ergeben die schattier- ten Felder – zeilenweise von oben nach unten gelesen – ein Wort aus der Bibel. Reise-Infos und Hotel-Tipp
Die Titlis Cliff Walk ist di höchstgelegene Hän ebrücke Europas. Auf 3041 Meter über dem Meer hängt die 100 Meter lange Brücke
Das Loipennetz rund um Engelberg hat eine Länge von ca. 40 Kilometern
Engelberg befindet sich mittig in der Schweiz, ungefähr eine Autostunde von Zürich ent- fernt. Mit dem Zug geht’s bis nach Luzern und dann mit der Zentralbahn in 45 Minuten nach Engelberg. Hotel Kempinski Palace Engelberg***** Das erste Fünf-Sterne-Resort des berühmten Alpendorfs bietet exklusiven Luxus in- mitten der Schweizer Berge. Ein Höhepunkt ist der 880 Quadratmeter große Spa mit Infinity Pool, Fitness und Sauna. In den Restaurants werden Sie mit schwei- FRANKREICH
Chefredakteur Bodo Scharffetter war für Sie in Engelberg zu Besuch
Natur im Einklang zu sein. Wussten Sie, dass hier 1934 die Zweierbob-Weltmeister- schaften ausgetragen wurden? Auf der damaligen Wett- kampfstrecke hinunter von der Gerschnialp wird bis heute jeden Winter eine Schlittel- piste präpariert. Das sorgt für zusätzlichen Spaß. Winterwandern und Genuss Nach einem aktiven Tag bie- tet der Fondueschlitten für Zwei der Fürenalp eine genussvolle Möglichkeit, die Erlebnisse des Tages zu teilen. Das Käsefon- due auf dem Schlitten und die alpine Atmosphäre laden dazu ein, den Tag geschmackvoll ausklingen zu lassen.
D ie Schweizer Alpen, ma- jestätisch und erhaben, bergen ein Juwel: En- gelberg-Titlis. Mehr als nur ein malerisches Winterwunderland ist es ein Skifahrer-Paradies, das Anfänger und Profis gleicher- maßen in seinen Bann zieht. Das weitläufige Skigebiet des Titlis präsentiert eine Fülle von Pisten für jeden Geschmack. Sanfte Hänge für Anfänger wechseln sich ab mit anspruchsvollen 12-km-Ab- fahrten für die Erfahrenen. Die schneebedeckten Landschaften verwandeln sich in ein Para- dies für Langläufer, die sich auf schmalen Pfaden durch die gezuckerte Winterlandschaft winden. Die „Titlis Rotair“, die
Charmant und aussergewöhnlich: Die Zimmer im Belle-Epoque-Stil mit rundförmigem Grundriss
des Berges und verspricht pu- ren Nervenkitzel. Jeder Schritt auf dem fast durchsichtigen Boden lässt das Adrenalin in den Adern pulsieren. Nichts für schwache Nerven!
weltweit erste drehbare Seil- bahn, katapultiert Gäste in nur fünf Minuten auf 3020 Meter über demMeer. Dabei eröffnet sich eine 360-Grad-Aussicht auf die umliegenden Gipfel. Es ist ein magisches Gefühl, sich langsam in die Höhe zu drehen und die atemberaubende Winterlandschaft unter sich zu sehen. Abenteuerlustige finden
DEUTSCHLAND
© ALLE FOTOS: MONIKA NEIDHART Bruder Gabriel arbeitet in der Gärtnerei. In der Kirche und im Gästespeisesaal stehen stehts frische Blumenarrangements.
«Engelberger sind Engelberger. Uns als Obwaldner zu bezeichnen, ist kein Kom- pliment», bringt ein rund 40-jähriger Ein- heimischer die Besonderheit von Engel- berg auf den Punkt. Seit der Kloster- gründung im Jahre 1120 vereinte der Abt des Benediktinerklosters die kirchliche und die weltliche Macht über das Tal. Mit Napoleon wurde der Ort 1798 als Enklave Obwalden zugeteilt. Die jahrhunderte- alte Eigenständigkeit ist heute noch spür- bar. Das Kloster ist weiterhin ein wichti- ger Partner. Es ist der grösste Wahl- und Landbesitzer, der zweitgrösste Arbeit- geber im Dorf mit 4300 Einwohnern. Dazu führt es ein Internat, das ab Ober- Engelberg liegt auf einem weiten Hochtal auf rund 1000 Meter über Meer, umgeben von unzähligen Gipfeln bis hin zum Titlis. Neben der vielfältigen Natur bieten auch die Vesper in der Klosterkirche oder ein Molkebad Erholung pur.
zer und französi- schen Einflüssen
Abenteuer und Nervenkitzel
Vom Pool aus haben Sie Blick auf die Bergwelt
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verwöhnt. DZ pro Nacht ab 602 Euro. Infos unter: www. kempinski.com
Engelberg
Der „Ice Flyer“ lockt abseits der Pisten mit einer Fahrt über den Gletscher zur fas- zinierenden Titlis Gletschergrot- te. Diese un- terirdische Eishöhle beein- druckt mit glit- zernden
Mit dem Kempinski Palace Engelberg erwartet Sie ein Juwel aus der Belle Époque
Eisskulpturen und geheimnis- vollen Lichtspielen. Sie wirkt wie ein magischer Eispalast, weit entfernt von der Welt über der Erde. Talwärts locken entspann- te Winterwanderungen. Die klare Luft und der knirschende Schnee unter den Schuhen vermitteln das Gefühl, mit der
ihren Kick auf dem „Titlis Cliff Walk“. Diese spektakulä- re Hängebrücke schwebt über den Felsen
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Dorfstrasse 40, 6390 Engelberg, Schweiz Tel. +41 41 639 7575
DEUTSCHLAND
FRANKREICH
weit grössten Orgel steht allen offen, auch während der Vesper, dem Abend- gebet, wenn die 17 Mönche des Klosters singend beten. Milch- und Molkekuren zur Entschlackung Das Kloster lädt zur Ruhe und Einkehr ein. Es war aber nie ein Pilgerort wie etwa Einsiedeln. Anziehungspunkt waren und sind die vielfältige Natur und die sport- liche Aktivität. Mitte des 19. Jahrhunderts brachte der Arzt Carl Cattani Gäste nach Engelberg. Für seine Milch- und Molkekuren liess er 1890 extra eine Trink- und Wandelhalle errichten. Er verschrieb sie zur Entschla- ckung und gegen diverse Leiden. Archi- tektonisch ist vom Kurort wenig erhalten. Geblieben ist die «gesunde, reine Luft», wie sie schon 1890 in einem Reiseführer gelobt wurde. Dazu das Molkebad, das bei der Alpkäserei Gerschnialp angebo- ten wird. Im Holzzuber mit Blick auf die grosse, flache Alpweide fühlt man sich
stufe für Mädchen und Knaben of- fen ist, und die Stiftschule mit zwei- sprachiger Maturität. Angegliedert ist eine Sportmittelschule.
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Ein beliebter Schweizer Klassiker ist das Käsefondue. Mmmh!
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FOTOS: AGV; PETER HERMES FURIAN/EXCLUSIVE-DESIGN-STOCK.ADOBE.COM, ENGELBERG-TITLIS / OSKAR ENANDER / ROGER GRUETTER; HOTEL KEMPINSKI
90 von Frau zu Frau 3/2024
ITALIEN
Ein Blick in den Klausurbereich des Klosters Das Kloster ist vom Bahnhof via Dorf- strasse in rund 15 Minuten erreichbar. Die barocke Anlage strahlt durch ihre klaren Linien und Symmetrien Harmonie aus. Die klostereigene Schreinerei oder auch die Renovationsequipe pflegen das Erbe. Die Blumenrabatten unterstreichen ihre Sorgfalt. Es lohnt sich, bei einer öffentli- chen Führung ins Kloster einzutreten, über die wunderschönen Steinplatten der langen Gänge zu gehen, im Tugenden- zimmer die Intarsienarbeiten eines Mönchs zu bewundern oder einen Blick in den 2014 nach alten Vorbildern neu gestalteten Gemüse- und Früchtegarten im Innenhof und Klausurbereich durch ein Fenster zu bestaunen. Ästhetik pur. Die barocke Klosterkirche mit der schweiz-
Oktober 2023 FERIEN / REISEN 52
REISEN
REISEN
ENGELBERG
Mondäne Lage: Das «Kempinski Palace» steht am Kurpark im Dorf Engelberg. Dort wird sich der Festplatz des Wandertags befinden.
Sina Filliger im zentralen Salon ihres Art-decó-Hotels
Nächtlicher Ausblick: Im modernen„Berghotel Trübsee” können Schneefans auch übernachten
Der Arbeitstag beginnt bei den Töngis um vier Uhr morgens und dauert bis neun Uhr abends.
«Cliff Walk», hochalpines Wahrzeichen am Titlis: 150 Schritte Herzklopfen
auf 3041 Metern Höhe – 500 Me- ter über dem Abgrund.
mit den Holzkajüten musste ich mich zuerst gewöhnen.» Als Abt Christian den Klostergarten zeigt, ragt hinter ihm ein zackiger Berg in die Höhe. Der Hahnen. Von ihm soll im Jahre 1120 eine Engelsstimme geboten haben, dass man im Talboden, damals nochWildnis, ein Kloster baue. Im Gemeindewappen ist der Engel abgebildet. Abt Chris- tian erzählt, dass er mehrere Male auf dem Hahnen war. Beachtlich! Die Bergtour ist anspruchsvoll, empfohlen wird, einen Bergführer zu engagieren. Abt Christian feierte oben auch schon mit einem Grüpplein Gläubiger die heilige Messe. Respekt verdient der Abt auch für ein Projekt, das er kürzlich mit Partnern vorstellte. Engelberg hat wie andere bekannte Tourismusorte das Problem, dass es kaum güns- tigen Wohnraum anbieten kann. Das Kloster stellt nun eine Parzelle zur Verfügung, auf der es bald mit der Gemeinde und der Bürgergemeinde erschwingliche Woh- nungen bauen will. «Damit unsere jungen Menschen hier wohnen bleiben können», sagt Abt Christian. Schwebend und drehend auf den Titlis Das Kloster Engelberg: eine der Attraktionen am Rand des diesjährigen Wandertages am 2. September, einem Sams- tag. Wer danach im Ort übernachtet, kann am Sonntag vieles mehr entdecken. Immer einen Ausflug wert ist der Titlis. Speditiv geht es zuerst in der Gondelkabine, dann in der laut dem Bahnunternehmen weltweit ersten sich dre- henden Grosskabine auf den Dreitausender. Dort bewer- fen sich vergnügte Reisende aus aller Welt mit Schnee, für manche ist es der erste Schnee ihres Lebens. Ein Must ist der «Cliff Walk», eine gut 100 Meter lange Hängebrücke, die als höchstgelegene Hängebrücke Europas beworben wird. Zwingend auch die Visite in der Gletschergrotte, dem, wie es in der Werbung heisst, «frostigen Herz des Titlis». Und das Bergpanorama ist eine Wucht. Auf dem Weg zum Titlis schweben Reisende über die Gerschnialp – ebenfalls ein empfehlenswertes Ziel – und sehen ein Schild: «Alpkäserei». Der Sbrinz, der hier ent-
Da schlägt das Herz von Freeridern höher: Engelberg bietet rasante Abfahrten
Gesicht auf Scheiterbeige: Auf der Gerschnialp läuft bis in den Spätherbst die Ausstellung «Landart» mit Naturobjekten verschiedener Kunstschaffender.
Das „Albstubli” ist ein beliebter Anlaufpunkt im Skigebiet Titlis
enden gibt es nicht, der Arbeitstag beginnt um vier Uhr morgens und dauert bis neun Uhr abends. Zuerst wird in der Frühe angefeuert. Und dann wird gekäst, 3000 Liter Milch pro Tag liefern die Älpler rundum. 30 Tonnen Alpkäse aus Kuhmilch und 5 Tonnen Alpkäse aus Ziegen- milch macht Sälmi Töngi jeden Alpsommer. «Ohne Herzblut geht das nicht. Du musst dafür geboren sein», sagt er, der mit seiner Frau den eigenen Käse wöchentlich auch auf Märkten in Engelberg, Sarnen und Luzern feilbietet und zwei Angestellte beschäftigt. Käser seit 49 Jahren Sälmi Töngi, im Ortsteil Grafenort aufgewachsen, wo der Zug von Luzern vor Engelberg ein letztes Mal hält, machte eine Käserlehre. Und übernahm schon in der Lehrzeit die Alp der Eltern samt der Käserei. Als Erwachsener ging er viele Jahre lang in der kalten Jahreshälfte auf Reisen. «Ich war in 70 Ländern.» Dass er Englisch spricht, kommt ihm
zugute, wenn das «Kempinski Palace» wieder einmal einen Bus voll Amerikanerinnen und Amerikaner hinauf- schickt. Apropos «Kempinski»: Der Belle-Époque-Bau mit der mondänen Bar, ein Fünf-Stern-Hotel, steht gleich am Kurpark und verleiht Engelberg Glamour. Ein Problem haben die Töngis, es erinnert an dasjenige von Abt Christian. Der Nachwuchs, jawohl. Töngis haben eine erwachsene Tochter, doch die hat an der Universität St. Gallen Wirtschaft studiert und geht beruflich in eine andere Richtung. Und ehrlich: Wer will heutzutage noch von früh bis spät krampfen? «Wir arbeiten weiter», sagt Sälmi Töngi, es klingt heiter. Nächstes Jahr wird er das 50-Jahr-Jubiläum als Käser feiern. Er lacht: «Ja, ich bin eine Institution.» Ganz in der Nähe ist Werkhof-Mitarbeiter Patrik Em- menegger fertig mit dem Auswechseln des Schildes. «So, das haben wir», brummt er. Verstaut Werkzeug und Leiter wieder im Fahrzeug – auf geht es zur nächsten Stelle, wo im 150-Kilometer-Wanderwegnetz der Gemeinde etwas ausgebessert sein will. Engelberg ist reich an bemerkens- werten Menschen. An sagenhaften Landschaften. An Orten, die zum Geniessen laden. All dies in Kombination macht den Wandertag im September zum Ereignis. ■
hier die Skieinsteiger, dann kommen die roten Prinzen und später die blauen und roten Königinnen: Das Skischul- system funktioniert in der ganzen Schweiz gleich. Im hinteren Teil rücken die Gäste zusammen und räumen Helme und Handschuhe weg. Ein Tag zum Kuscheln, da ist man solidarisch. Wir teilen einen Tisch mit einem jungen Paar aus Buchs im Aargau, wie sich herausstellen wird. Die Schweizer kennen sich gut aus und empfehlen uns, beim nächsten Besuch Maria Rickenbach anzusehen, ein Benedik - tinerinnenkloster. Eine jüngere Ausgründung des berühmten Engelberger Mutterhauses. Sagenhaft gelegen, preiswerte Unterkünfte dazu. Dass es in Engelberg schneit wie aus Eimern, wundert sie nicht. „Der Schüttstein der Schweiz“, so sage man zum Ort im Scherz. Wenn es sonst nirgends regnet oder schneit, dann hier: Schneesicher heißt das im Jargon der Touristiker, die von der längsten Skisaison der Zentralschweiz schwär- men. Ein feines Wetter, um Geschichten zu erzählen. Letztlich machen wir uns zu fünft auf den Rückweg. Vielmehr zu sechst: Die langhaarige Hündin der beiden, ein Pyrenäen -
man noch rechtzeitig zum Abendessen. Manche sind hier geblieben und haben ein Geschäft gegründet. Sanne Mona beispielsweise, die sich in der Spitze der Freeride-Profis behauptet und mit ihrem Freund die „Ski Lodge“ eröffnet hat. Eine Szenebar hinter dem Bahnhof, immer rappelvoll. Der Bahnhof ist seit 125 Jahren Dreh- und Angelpunkt in Engelberg, die Bahn endet mitten im Dorf. Links leuchtet das Kempinski, 2021 nach fünfjähriger Sanierung wieder frisch eröffnet – geradeaus lockt das Hotel Bellevue Termi - nus von Sina Filliger. Die Zimmerflügel wurden hinter der historischen Fassade neu aufgebaut, aus 111 Zimmern mit Etagenbädern entstanden 73 mit zeitgemäßem Komfort. Der Kern des Hauses wurde restauriert, die großen Ball- und Tagungssäle sind noch original erhalten. Ein Haus aus den goldenen Zeiten Engelbergs, genau wie der Bahnhof 1898 erbaut, einst hatte es einen Park und Tennisplätze. Jetzt lädt ein zentraler Salon zu Frühstück und Kaffee, frisch gestal - tet im Stil des Art déco. Sina Filliger erklärt und zeigt: bei - spielsweise eine kostspielige Betonwand in der Mitte, die für Erdbebensicherheit und Brandschutz sorgt.
schäferhund, lag bislang ohne einen Mucks unter der Bank. Nun freut sie sich unbändig, dass es weitergeht, und rennt und rennt und rennt: Mit wehenden Ohren durch den Neu- schnee, was für ein Spaß muss das sein! Geradezu anste- ckend ist diese Lebenslust, alle freuen sich darüber. So geht auch der letzte Anstieg zurück zur Station flott vorüber. Im Ristorante „Lago Torbido“ sind wir mit den Skifahrern verabredet. Vor der goldenen Kuppel des Pizzaofens drehen zwei Routiniers die Teigfladen und belegen sie üppig, beim Einschießen und Versetzen und blitzschnell wieder Heraus - ziehen wechseln sie sich ab. Hier wähnt man sich in Süditalien, einer der beiden stammt von dort. FREERIDER UND ART DÉCO Engelberg wurde in den letzten Jahren durchaus internatio - nal. Nachdem die Schweden den Ort als Freeride-Destina - tion entdeckt haben, zogen sie etliches junges Gemüse nach. Freitagmittag steigen sie in Stockholm in den Flieger nach Zürich, via Luzern geht es weiter mit dem Zug, da kommt
Mit Laib und Seele: Sälmi und Nina Töngi arbeiten jede Sommersaison auf der Gerschnialp. Auch dieses Jahr entstehen hier 35 Tonnen Alpkäse.
steht und immer wieder mit Preisen bedacht wird, lässt sich in der Käserei ebenso kaufen wie andere Sorten, dar- unter ein göttlicher, auf dem Teller zerfliessender Brenn- nessel-Rahmweichkäse. «Die Brennnesseln habe ich in meinem Garten gepflückt», sagt Nina Töngi. Mit ihrem Mann Sälmi, 67, verbringt Nina Töngi, 60, jeden Sommer auf der Gerschnialp. Die Saison beginnt Mitte Mai und dauert bis Ende September, freie Wochen-
In der Dorfstraße von Engelberg lohnt sich das Bummeln
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Infos und Hotelangebote zum SF-Wandertag auf den Seiten 110 bis 113
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